"Warum das alles?" von Dani Arnold

Vorwort:
In seinem ersten Buch lässt Extrembergsteiger Dani Arnold seine Leserinnen und Leser mit Fotos und einprägsamen Texten an besonderen Momenten in den Bergen teilhaben und reflektiert Erfolg und Misserfolg eines Extremalpinisten.
Vor mit liegt das Buch von Dani Arnold, dessen fragender Titel "Warum das alles?" der eigentliche Auslöser war, mir das Werk zu besorgen.
Meine Erwartungen lagen neben tollen Bergaufnahmen zu sehen zum Teil darin, hier mögliche Antworten auch für Familie, Freunde und Bekannte in meinem privaten Umfeld zu finden, die unsere Leidenschaft für die Berge im Grunde genommen nicht oder allenthalben nur wenig nachvollziehen können.

Zum Inhalt:
Das Buch von Dani Arnold fasziniert mit tollen Aufnahmen, die teilweise an uns bekannten Orten aber auch an weit entfernten Plätzen, wie z.B. Patagonien, entstanden sind. Diese Orte werden für die meisten von uns immer ein Geheimnis bleiben und von uns wohl nie besucht werden. Umso schöner, wenn wir diese Eindrücke versehen mit persönlichen Anmerkungen von Dani bequem auf dem Sofa teilen können.

Es handelt sich um ein autobiografisches Buch, in dem die einzelnen Stationen des heute vielen als "Extremalpinist" bekannten Dani Arnold von ihm selbst beschrieben werden. Doch das war nicht immer so. Dani beschreibt seine Entwicklung zur Liebe zu den Bergen, zum Klettern und zu extremen Herausforderungen. Dass er mittlerweile seinen Lebensunterhalt damit verdienen und vom Prinzip her seine "Leidenschaft" nach Belieben ausleben kann, wird anhand einer ausdrücklich geschilderten Dankbarkeit für diesen Umstand deutlich. Dani Arnold widmet in seinem Buch aber auch viel Platz gegenüber seiner Verantwortung für seine Lieben, seine Familie, für Tourenpartner, Sponsoren und im besonderen auch für die Umwelt.

Es handelt sich um keinen Tourenführer im herkömmlichen Sinn. Im letzten Buchkapitel mit dem Namen "Würdigung" wird die Tour "Carlesso" an der Torre Trieste mit einer Routenskizze vorgestellt. Das war es dann aber auch schon. Das Buch ist unterteilt in den Einstieg mit einem persönlichen Vorwort des Autors und einem persönlichen Dank an die Co-Autorin Petra Jörg, die ich natürlich nicht unerwähnt lassen möchte. Danach eröffnet das Kapitel "Steil, schnell, schwierig" faszinierend Einblicke in einzelne Stationen, wie z.B. die Rekord-Durchquerung der Eiger Nordwand in 2 Stunden und 28 Minuten. Daneben finden weitere schwere Touren wie z.B. die Winterbesteigung des Cerro Torre, weitgehend unbekannte Mixedrouten in Schottland oder auch einige Eisklettertouren mit spektakulärem Ausgang Platz in diesem Kapitel.

Mit persönlichen Gedanken geprägt ist das gleichnamige Kapitel "Gedanken & Reflexionen", wo der Schweizer näher auf seine persönliche Motivation, Grenzerfahrungen und u.a. auch auf die Kunst des Umkehrens eingeht. Der Inhalt dieser Seite ist größtenteils auch direkt am Berg an außergewöhlichen Plätzen entstanden, was aus den von ihm gewählten Formulierungen heraus zu lesen ist und seinen Worten eine gewisse Authentizität verleiht.

Das Kapitel "Anekdoten & Kuriositäten" ist eine Sammlung von vielen erinnerungswürdigen Begebenheiten. Dieses Kapitel zeigt auf erfrischende Art, dass neben dem Überalpinisten Dani Arnold auch ein ganz normaler Mensch existiert, der teilweise mit den gleichen banalen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, wie wir alle auch. Herrliche Aufnahmen ergänzen die kleinen Episoden. Um nur eine Aktion herauszugreifen: Nachtklettern im norwegischen Eis in eigens mit Scheinwerfern ausgeleuchteten Wasser- oder besser gesagt Eisfällen.

Zum Klappentext:
Er findet steile Fels- und Eislinien, an denen sich noch nie ein Mensch versucht hat, klettert die schwierigsten Berge der Welt hinauf, stellt verrückte Speed-Rekorde auf und ist dennoch am Boden geblieben. In seinem ersten Buch lässt Extrembergsteiger Dani Arnold seine Leserinnen und Leser mit Fotos und einprägsamen Texten an besonderen Momenten in den Bergen teilhaben und reflektiert Erfolg und Misserfolg eines Extremalpinisten.

Fazit:
Ein gelungenes und wirklich tolles Buch von Dani Arnold, das ich persönlich als eine Mischung aus Bildband mit herrlichen Aufnahmen in Verbindung mit vielen niedergeschriebenen Gedanken und knackigen Kurzgeschichten des Autors, beschreiben würde. Abschließend kann ich sagen, dass meine Eingangs beschriebenen Erwartungen übertroffen wurden. Es gibt nicht auf alle Fragen eine Antwort, aber die Leidenschaft für die Berge können letztlich nur die Personen teilen und nachvollziehen, die selbst in den Bergen unterwegs sind. Die Einschätzung von möglichen Risiken auf Berg- und Klettertouren hängt neben den sichtbaren Rahmenbedingungen wie z.B. das Wetter immer auch von individuellen Parametern ab; alpine Erfahrung, körperliche Verfassung, Ausrüstung usw.. Dani Arnold führt hier in seinem Buch auch das "Bauchgefühl" an, was in etwa mit dem landläufigen Begriff "gesunder Menschenverstand" gleichzusetzen ist. Mit entscheidend ist natürlich auch, ob man mit Bergsteigen und Klettern seinen Lebensunterhalt verdienen kann und muss.

Absolut lesenswert und gerade in der bergfreien Zeit eine schöne Abwechslung, die Lust auf mehr macht.

Direkt an diese Buchbesprechung folgt zunächst eine Beschreibung des Extremalpinisten durch Uli Auffermann (Fotograf, Autor, Alpinjournalist, langjähriger Freund des legendären Bergführers und Erstbegehers der Eiger-Nordwand Anderl Heckmair). Eine umfangreiche Fotostrecke rundet die Vorstellung von Dani Arnold mit visuellen Eindrücken ab. Bezugsquellen:
ISBN: 978-3-946862-09-3, 136 Seiten
In Deutschland beim Semann-Verlag.de (€ 32,00 zzgl. Versand).
Bezugsmöglichkeit in der Schweiz direkt über Dani Arnold (CHF 39,00 zzgl. Versand).

Buchbesprechung vom 03.05.21 © oliver

Dani Arnold: All-Star ohne Allüren
Eine Charakterisierung von Uli Auffermann:
Sagt Ihnen die „Carlesso“ etwas? Jene Route in der Südwand des Torre Trieste? Einst als das Äußerste im extremen Klettern bezeichnet, das Nonplusultra an Schwierigkeiten. Mit VI+ A3 in Walter Pauses Ausgabe „Im extremen Fels“ von 1970 bewertet, steht die von Raffaele Carlesso und Bartolo Sandri 1934 eröffnete Linie damals für die Grenze des Kletterbaren. Generationen von Spitzenkletterern galt sie als Sehnsuchtsziel, als Prüfstein, als eine Art Elitezertifikat. Eine Tour mit gewaltigem Nimbus. Rund 25 Seillängen und etwa 8 bis 11 Stunden Kletterzeit sollten es für die nicht allzu zahlreichen Wiederholer werden, die sich ihr gewachsen fühlten.

Heute ist die „Carlesso“ frei geklettert ein satter VIII-er und in ihrem alpinen Ausmaß nach wie vor ein ernster, abenteuerlicher Extremklassiker. Den 2016 Dani Arnold macht, free solo. In der Fabelzeit von 68 Minuten durchsteigt er die berühmte Route. Sicher, souverän, völlig organisch. Klettern in seiner ursprünglichsten Form, Mensch und Fels verschmolzen zur Einheit. Kein Wagnis um Haaresbreite, kein Gang, um den Tod herauszufordern, sondern um das Leben zu gewinnen, es intensiv zu fühlen. In völliger Beherrschung der Situation. Nach dem Preuß’schen Grundsatz „Das Können ist des Dürfens Maß“! Schnell sein, weil es möglich ist, nicht als Selbstzweck.

Und wie schnell Dani Arnold am Berg ist, zeigen diese Durchsteigungen: Salbit-Westgrat in 1.35 Stunden, Eiger-Nordwand in 2.28 Stunden, Matterhorn-Nordwand in 1:46 Stunden, Badile „Cassinroute“ an der Nordostwand in 52 Minuten und den Walkerpfeiler an den Grandes Jorasses in 2:04 Stunden. Dabei will er „Speed-Begehungen“ nicht als Maßstab für die Meta-Ebene des Alpinismus verstehen. Vielmehr als eine logische Form des Kletterns, wenn es gilt, die eigenen Fähigkeiten umzusetzen und alle bergsteigerische Kompetenz auszuleben. Klar, dass Dani als Profi-Alpinist auch gefordert ist, im Zeitgeist des Einfachdarstellbaren, also im Schneller, Höher, Weiter der kurzatmigen, leistungsorientierten Gesellschaft griffige Akzente zu setzen. Letztlich aber steht es nicht im Mittelpunkt des Geschehens. Denn der Schweizer verkörpert nicht den verbissenen, ständig trainierenden und unter selbstauferlegter Askese lebenden Ultraathleten, dessen starrer Blick nur noch Ehrgeiz und totale Anforderung kennt.

Nein, Dani Arnold ist ein Affektbergsteiger, sein Antrieb Lust, Leidenschaft, Begeisterung. Ein Genussmensch, der das tiefe, nachhaltige Erlebnis sucht. Ein Typus, gestrickt wie ein Anderl Heckmair, der einfach gerne draußen ist, der einen kleinen Berg genauso intensiv empfinden kann wie die Eiger-Nordwand. Woran man das merkt? Wenn Dani zum Beispiel mit leuchtenden Augen und gestikulierend erzählt, wie sich das Einschlagen eines Eispickels anhört: „Es zischt, man hört die Spannungen des Eises ... – das ist einfach megacool.“

Gewiss, Dani Arnold ist ein Alpinist der Gegenwart, modern, en vogue und mit allen Ausprägungen, was als State of the Art gilt. Sein Wesen aber, sein Kern ist erfüllt von dem großen Erbe des traditionellen Alpinismus: aus sich heraus schöpfen, getragen von der Neugier und der Kraft, dem Unmöglichen vielleicht doch ein Möglich abzuringen!
(Quelle: Uli Auffermann)

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