Hermann Rädler


Hermann Rädler © Foto Heimhuber(*29.02.1876; † 12.05.1974)
Beginnen wir am Besten mit dem Anfang:
Mit freundlicher Unterstützung von Frau Doris Wörz vom Gästeservice Fischen, hat uns Frau Lia Weigelhofer, Tochter von Hermann Rädler, durch persönliche Vorsprache bei Frau Wörz verschiedene Unterlagen über das Leben und Wirken Ihres berühmten Vaters zur Verfügung gestellt. Eine ausführlich recherchierte und fundierte Reportage über Hermann Rädler wurde zudem 2005 in der Zeitschrift "das schöne Allgäu" veröffentlicht. Damaliger Autor war der zwischenzeitlich verstorbene Dr. Peter Nowotny (Allgäuer, Autor, Bergsteiger), mit dessen freundlicher Genehmigung wir nachstehend eine Zusammenfassung der Reportage vorgenommen haben:

"Chronik" eines großen Alpinisten des Allgäus:
Hermann Rädler wurde am 29. Februar 1876 in Bad Oberdorf bei Hindelang geboren. Bereits 1885 stand er als Neunjähriger mit seinem bergbegeisterten Vater (ebenfalls Lehrer) zum erstenmal auf dem Hochvogel. Die Berge blieben ein Leben lang seine Heimat. Ein Blick in seine Tourenbücher bestätigt das, wobei besonders zwei Dinge den Betrachter in Ihren Bann ziehen werden: Die Vielzahl schwerer und schwierigster Touren, sehr häufig im Alleingang, in einer Zeit, in der es noch keine großen Ausrüstungsgegenstände gab und das Bergsteigen noch lange nicht so volkstümlich war wie heute. Daneben die Tatsache, dass der autolose Hermann Rädler damals alle An- und Abfahrten mit dem Fahrrad zurücklegen musste. Dabei kann man wohl davon ausgehen, dass die Räder damals noch keine 21-Gänge hatten.

Nach seiner Ausbildung als Lehrer kam Hermann Rädler zurück ins Allgäu und unterrichtete dort bis 1943 die Schüler aus Langenwang und Umgebung. Er war mit seiner bescheidenen beruflichen Laufbahn als Oberlehrer einer Dorfschule zufrieden, konnte er dadurch doch in seinem geliebten Allgäu bleiben und damit gut zu allen Touren radeln.

Hermann Rädler war wohl einer der größten Allgäuer Bergsteiger und einer seiner stillsten. Als er am 17. Oktober 1910 den Südwestgrat des Himmelhorns als erster Mensch bezwang, und das auch noch im Alleingang, behielt er das vier volle Jahre für sich! Eine winzige Bemerkung in seinem Notizbüchle (s.u.) und eine kurze Erzählung seinem Freund Stiefenhofer aus Oberstdorf gegenüber waren alles, was er über seine an Kühnheit und Wagemut damals kaum zu übertreffende Tour festgehalten hat. Vielleicht wäre es gar nicht ans Tageslicht gekommen, wenn ihm im letzten, ungemein steilen, brüchigen und griffarmen Drittel des Grates ein zurückgelassener Haken vier Jahre später nicht "verraten" hätte. Der mit Allgäuer Humor gesegnete Oberlehrer nannte ihn deshalb scherzhaft "den einzigen Haken seines Lebens". Ihm zu Ehren wurde dieser Grat 1914 offiziell in der Fachliteratur als Rädlergrat bezeichnet.

Erstaunlich ist die Vielfalt der Berge, die sich Hermann Rädler ausgesucht hatte. Der Wannenkopf gehörte wohl zu seinem Lieblingsziel und auch leichte Touren auf Besler oder Weiherkopf wurden nicht verschmäht. Daneben stand er mindestens 36 Mal auf dem Gipfel der Trettach und 54 Mal auf der Höfats. Beim Studium des Notizbüchle findet man durchaus auch anspruchsvolle Touren mit hohem Schwierigkeitsgrat: "Blenkkamin", "Trettach-Südwand", "Höfats-Traverse" usw.. Zusammen mit K. Dörfler und Marie Faber gelang ihm im August 1910 die erste Ersteigung der Ostwand des Bec de Mesdi (2.967m) in der Sellagruppe (damals auch "Bamberger Spitze" genannt). Für die moderne Kletterei hatte er nicht so viel übrig, obwohl er dank seiner Kletterkünste auch Mitglied im Alpenclub "Berggeist" war (wo nur die Besten aufgenommen wurden) und ganz nebenbei noch zu den ältesten Mitgliedern des Deutschen Alpenvereins gehörte.

Für Hermann Rädler selbst waren die erste Besteigung des "Rädlergrates" an jenem wunderschönen, stillen Oktobertag und die Bezwingung der Guglia di Brenta die Höhepunkte in seinem Leben - zumindest aus bergsteigerischer Sicht - gewesen. Seine Begeisterung für die Berge hat er auch auf andere übertragen wollen: Am 24.11.1934 war er mit 22 Schülern auf dem Schnippenkopf, am 01.12.1934 mit 16 auf dem Rubihorn und am 24.07.1946 mit 14 Schülern auf dem Iseler. Die Geistlichkeit durfte ihm in Person von Kaplan Werner am 20.09.1947 auf den Hochvogel und am 07.10.1947 als Pfarrer Zimmermann sogar auf die Höfats begleiten. Im Alter von 71 Jahren war dies gleichzeitig die letzte Besteigung dieses Berges, den er so geliebt hatte. Später weist sein Tourenbüchle noch jährliche Touren auf Besler, Iseler, Rubihorn, Spieser, Jochschrofen, Ponten oder Rohnenspitze auf. Erstaunlich was dieser Mann in den Bergen geleistet hat. Genauso bescheiden, wie er seine ganzen Eintragungen zwischen 1899 und 1965 (89 Jahre alt!) in schöner, gestochen scharfer deutscher Schrift in sein kleines Notizbüchlein gemacht hat, so hört er auch auf: Am Schluß steht ein einfaches "Ende".

Hermann Rädler starb am 12. Mai 1974 im Alter von 98 Jahren als damals ältester Bürger Oberstdorf in Wasach. Er fand auf dem neuen Friedhof in Fischen seine letzte Ruhestätte - umrahmt von vielen seiner so geliebten Berge, die er immer wieder bestiegen hatte...

Seine heute in Oberstdorf lebende Tochter Lia Weiglhofer hütet das Andenken, die wertvollen Unterlagen wie Tourenbücher, Notizbüchle, Berichte, Bilder und Zeitungsausschnitte. Sie erinnert sich an manche Begebenheit mit Ihrem Vater, der nebenbei noch Höhlenforscher und Organist war; 38 Jahre lang spielte er in der Heilstätte Wasach zur Freude der Patienten Orgel. Ihr Vater habe einen trockenen Humor gehabt, war verständnisvoll und bis zum Schluss ohne körperliche Beschwerden. Als seine Fischerstiefel einmal ein Loch bekamen, blieb ihr Vater ruhig im Wasser stehen und fischte mit gefluteten Stiefeln weiter.

So war Hermann Rädler: bescheiden, ohne Panik, zäh und zielstrebig, eben ein großer Allgäuer Bergsteiger.
(Quelle: Mit freundlicher Genehmigung von Dr. Peter Nowotny / Zeitschrift "das schöne Allgäu")
Zeugnisse eines erfüllten Bergsteigerlebens
"Übersetzung" der ersten Seite des Tagebuches:

Hermann Rädler © Foto Heimhuber 1899
27. Juli Geiselstein
Meine 1. Geiselsteinbesteigung. Ein schöner Gipfel. Begleiter bis zum Prinzenstand H. Strobl u. H. Pfarrer. Die Tour war für das 1. mal ziemlich schwierig. Bestiegen wurde dieser Bezug zuerst am 04. Juli 1895 vom Jagdgehilfen Georg Schärft in Hohenschwangau u. am 16. Juli 1852 von 5 jungen Männern aus Buchung u. Waltenhofen. Von da betrat den Gipfel jedenfalls niemand mehr bis zum 21. Oktober 1896 an welchem Tage ein Kranz hinaufgebracht wurde.

1. August Geiselstein (2. Erstg.) wieder allein
23. August Geiselstein (3. Erstg.) "
Tourenübersicht im Notizbüchle von 1908:

Hermann Rädler © Foto Heimhuber 04.01. Söllereck
...
18.01.Trettach mit ?? Schmid
...
29.03. Nebelhorn
20.05. Höfats (26) allein
31.05. Schneck
03.06. Höfats (27) mit ??
14.06. Großer Wilde, Schneck
27./28.06 Wolfsebnerkamin, Plattenspitze
29.06. Hermannskarturm, Hermannskar-Spitze, Marchspitze
05.07. Höllhörner, Kleiner Wilde
...
Originalnotiz über die Erstbegehung des Rädlergrates 1910:

Hermann Rädler © Foto Heimhuber 1910
17.10.1910
Himmelhorn, I. Ersteigung und Schneck im Alleingang über Südostgrat
erhielt den Namen: Rädlergrat
Langenwang 9:00 - Oytal 10:00
Einstieg 12:00 - Traverse 1:15 - 1:30
Himmelhorn 2:00 - Schneck 3:10 - 4:00
Oberstdorf 6:00
 

Die scharfe Kante des Rädlergrats