Der Hohe Ifen und der Diedamskopf
von und mit Hermann von Barth (aus dem „Allgäuer Wegweiser“ Juni / Juli 1869)

Hinweis: Die Aufarbeitung bzw. Bereitstellung dieses Dokumentes ist im Sinne der Verfügbarmachung eines alpinhistorischen literarischen Werkes zu verstehen. Die Tourenbeschreibung ersetzt keinesfalls aktuelle Bergführerliteratur.
 
 

Der Hohe Ifen über das Kleinwalstertal gesehen Auf der Wanderung von Balderschwang über Rohrmoos ins Walsertal sind wir bei Riezlern in letzteres hinabgelangt, und von hier aus soll nunmehr die Besteigung des Hohen Ifen [1] unternommen werden. Dieser Berg tritt uns, im Walsertale angelangt, sofort wieder vor die Augen — in der gleichen seltsamen Gestalt, welche wir von Oberstdorf oder von irgend einem Höhenpunkte des oberen Illertales an ihm wahrnehmen konnten: eine schwach von Süd gegen Nord ansteigende, lange gerade Linie, an ihren beiden Endpunkten durch senkrechte Abstufungen scharf abgeschnitten. Betrachten wir die uns zugekehrte Ostseite des Hohen Ifen genauer, so zeigt uns dieselbe eine fortlaufende, bald mehr, bald minder hohe Felsmauer, an welche sich breite Geröllhänge und Grasplätze hinanziehen, welche wieder durch mehrfache, meist niedrige, aber langgezogene Felsstufen unterbrochen sind. Umgehen wir endlich das ganze Gebirge, oder verschaffen wir uns von einem benachbarten, südlich gelegenen Höhepunkte (z.B. dem Widdersteine) aus eine Talübersicht desselben, so zeigt sich der Hohe Ifen als ein — auf einen breiten, von Süd gegen Nord ansteigenden Gebirgsrücken aufgebauter — Felsblock, allseits mit schroffen Wänden umgeben und auf seinem Scheitel ein ebenfalls von Süden gegen Norden sich hebendes, etwa doppelt so langes als breites Hochplateau tragend, welches, meist mit spärlichem Graswuchse überkleidet, einen schwach wellenförmigen Charakter zeigt. Vom nördlichen, in mehrere horizontale Vorsprünge auslaufenden Rande dieses Hochplateaus fällt die aus weiter Ferne wahrnehmbare, fast überhängende Felswand mehrere hundert Fuß tief auf eine weit ausgedehnt, aus unzähligen aneinandergereihten Felshügeln bestehende Hochebene ab, den sogenannten Sonnenberg [2]. Auch diese steigt in südnördlicher Richtung an, und fällt vom Nordrande weg abermals mit senkrechten Wänden auf die nächste Terrasse ab. Auf diese folgen die speziell mit dem Namen „Gottesackerwände“ bezeichneten Felsabstürze, diesen sodann noch zwei weitere Bergrücken von gleichem Charakter aber geringerer Ausdehnung; der letzte derselben ist der Osterberg, welcher die schwarzen Felswände über Rohrmoos und weiter östlich dann die Kackenköpfe bildet.

Alle diese Terrassen und Felsabstufungen folgen sich ungefähr in einer geraden Durchschnittslinie, welche vom Gipfel des Hohen Ifen ziemlich genau nordwestlich gerichtet ist; die Terrassen bilden flache Talsenkungen, welche zur einen Hälfte gegen das Walser-, zur andern gegen das Hirschgunder Tal sich treffen. In denselben befindet sich eine nicht unbedeutende Anzahl von Alpen, hinter den Kackenköpfen die Gatterschwang- und Hörnle-Alp, jenseits der folgenden Felsstufe die Gatter-Alpe, über den Gottesackerwänden die Hochalp und Mahdertal-Alp, an der östlichen Abdachung des Sonnenbergs Küren-Alp usw..
 

Gottesackerwände und Hoher Ifen von Osten In bestimmteren und größeren Verhältnissen gliedert sich das Gebirge an der Westseite des Hohen Ifen; der südlich ausgebogene Höhenkamm des Gebirgszuges, welcher den Stock des Ifen gleichsam als aufgebautes Stockwerk trägt, erhebt sich westlich von demselben zum Diedamskopf *) [3], dessen nordwärts schroff abfallende abgestumpfte Pyramide sich gegen Süden zu einem flachen Hochplateau erweitert, welches ins Tal der Bregenzer Ache absinkt. Zwischen dem Hohen Ifen und Diedamskopf nimmt in einem von steilen Felswänden umschlossenen Talkessel die Subersach ihren Ursprung, von welcher ein Seitenzweig aus dem in die Westseite des Hohen Ifen eingeschnittenen „Tiefen Ifertobel“ entspringt. Der Höhenrand, welcher — vom Gipfel des Diedamskopfes in südöstlicher Richtung ausgehend — an den Hohen Ifen einerseits anschließt, setzt sich andererseits — diese südwestliche Richtung beibehaltend — zur Kette des Ochsenhofer Kopfs und Geisberges fort, und bildet dadurch mit dem Hohen Ifen und Sonnenberg das gegen das Walsertal geöffnete Tal von Ifertsgund. Die Hauptgebirgskette läuft vom Ochsenhofer Kopf, welcher sich als eine regelmäßige, grüne Pyramide darstellt, in direkt südliche Richtung weiter und wendet sich schließlich wieder im rechten Winkel gegen Osten; hier trägt sie den gewaltigen Felskegel des Widdersteins. Vom Diedamskopf bis an den Widderstein begrenzt die eben genannte Gebirgskette das Tal der Bregenzer Ache, welche auf dem Tammberge (Hochtannberg) (dem Hochplateau am südlichen Fuße des Widdersteins) entspringt. Ein minder bedeutender westlicher Ausläufer scheidet ein kurzes Seitental derselben ab, aus welchem an der Südseite des Ochsenhofer Kopfs ein Gebirgsübergang, das sogenannte Starzler-Joch (Starzeljoch), ins Tal von Baad und nach Mittelberg hinüberführt.

Gehen wir vom Diedamskopf weiter westlich, so sehen wir diese ganze Seite des Gebirges schroff abfallen und mit dem jenseitigen Gebirgszuge eine enge Talschlucht schließen, welche sich bei Au ins Tal der Bregenzer Ache öffnet; unter dem Gipfel des Diedamskopfes senkt sich die gleiche, etwas erweiterte Talmulde in entgegengesetzter — nördlicher — Richtung nach den Schönenbach-Alpen, deren Tal lediglich durch die vorgedrängte Masse des Diedamskopfes von demjenigen, welches letzterer mit dem Hohen Ifen bildet, getrennt wird und bald mit demselben zusammenstößt; die vereinigte Subersach strömt nun in nördlicher Richtung nach Sibratsgfäll hinaus, wo sie die Hirschgunder Ache aufnimmt, und durchschneidet in nordwestlicher Richtung den Vorderen Bregenzer Wald. — Dem Diedamskopfe westlich gegenüber steht eine — aus drei westöstlich gerichteten Bergrücken, welche durch Jochübergänge unter sich in Verbindung stehen — zusammengesetzte Gebirgskette von südnördlicher Richtung; der vorderste — nördliche — dieser quer laufenden Bergrücken ist die über der Hitisau sich erhebende Winterstaude. — In der eben geschilderten Gebirgsgruppe werden wir die beiden bedeutendsten Erhebungen, den Diedamskopf und den Hohen Ifen zu Zielpunkten von Besteigungen ausersehen; zunächst wenden wir uns vom Walsertale aus nach dem Hohen Ifen.
 

Das tiefe, waldige Tal, welches von Riezlern oder Hirschegg bis an den Fuß des Berges sich erstreckt, fällt sofort in die Augen. Man hat von beiden Orten ungefähr gleich weit nach dem nächsten Zielpunkte: den Vorderen Alpen von Ifertsgund.
Der Weg führt nach Überschreitung des tiefen Breitachtobels an den Wiesenhängen der linken Talseite längere Zeit hindurch von Haus zu Haus aufwärts, sodann als schlechter Fahrweg über moosige Gründe eine Strecke weit leicht bergab, und erreicht erst nach etwa einer halben Stunde das Ufer des Baches, welcher durch eine, waldumschlossene Felsschlucht seinen Lauf nimmt. Der Weg führt nunmehr bald auf das entgegengesetzte — linke — Ufer; zur Rechten verengt sich allmählich das Tal, nahe heran treten die dunkel bewaldeten Berghänge, welche zur Talsohle mitunter in schroffen Felsstufen abfallen. Eine starke Stunde nach Verlassen Hirscheggs oder Riezlerns erreicht man die auf einem geöffneten Wiesenplane gelegenen Alphütten, vier bis fünf an der Zahl, und von hier aus beginnt nun die eigentliche Besteigung des Hohen Ifen.

Man hat die Wahl zwischen zwei Wegen: einem längeren, leicht gangbaren, und einem kurzen, der aber nicht jedermanns Sache ist. Ich habe bereits die Gestalt des Hohen Ifen als die eines — auf den zusammenhängenden Bergrücken aufgesetzten, allseits von schroffen Wänden begrenzten — Felsstockes dargestellt; an diesem steilen Aufbaue besteht nur ein einziger Platz, wo die Umfassungswände eingestürzt zu sein scheinen und an deren Stelle eine mäßig steile, etwas Graswuchs zeigende Geröllschutte bis an den Rand des oberen Hochplateaus hinauf sich erstreckt. Um diesen (an der westlichen Seite des Felsstockes befindlichen) natürlichen Anstieg zu gewinnen, hätte man das ganze Gebirge zu umgehen, daher das Tal zunächst noch etwa eine Stunde weiter bis an seinen Abschluß an den Hinteren Ifertsgund-Alpen zu verfolgen und von da erst die Ersteigung zu beginnen. — Es gibt jedoch auch an der Ostseite eine, freilich nur eine einzige Stelle, auf welcher das Plateau des Hohen Ifen erreichbar ist; und man wird — betrachtet man die bunt untereinandergewürfelten Grasplätze und Felsstufen dieser Seite — wohl auch leicht auf den Gedanken kommen, daß sich an derselben eine Verbindung der gangbaren Stellen müsse finden lassen; doch ist dies weit schwieriger, als man — vielleicht auf Erfahrungen gestützt, die man auf anderen, ähnlich aussehenden Gebirgen machte — sich vorstellt.

Gottesackerwände von Norden Beginnen wir von den Vorderen Ifertsgund-Alpen die Ersteigung der mäßig sich hebenden bewaldeten Hänge. Der Anfang des Weges findet sich gleich oberhalb der Hütten in einem kleinen Buchengehölze, und der leicht verfolgbare Fußsteig führt nun durch Wald und über abgeholzte Schläge [4] in etwa dreiviertel Stunden zu höher gelegenen Alpen: drei bis vier nebeneinander stehenden Hütten, an einem breiten Wiesenhange gelegen, welcher sich von ihnen nach der Höhe hinauf erstreckt. Der Hohe Ifen ist verschwunden, nur sein südlicher Vorsprung kommt gelegentlich zum Vorschein und ein gutes Auge vermag bereits die auf demselben errichtete Signalstange zu unterscheiden. Der bestimmte Weg hat aufgehört, die Wegerichtung führt in aufwärts ziehenden Einsenkungen des Wiesenhanges hinan, deren jeweilige Abgrenzung zur linken überschritten wird, sobald dies der unzweifelhaft erkennbaren Richtung angemessen erscheint.

Die Fichtenwaldung zur Rechten, welche die Abhänge des Sonnenberges begleitet, lichtet sich mehr und mehr; bald zeigen sich nur noch einzelne verwitterte Vorposten, wogegen dichter Krummholzwuchs [5] das hügelige Terrain überkleidet. Von einer Einsenkung zur anderen übergehend, erreicht man endlich den letzten Höhenrücken, welcher mit dem Hohen Ifen parallel nach dem Nordrande des ganzen Gebirges hinanzieht. Derselbe ist von dem Felsstocke, welcher nun wieder in seiner ganzen Ausdehnung und noch immer unveränderter Gestalt vor Augen steht, durch einen mäßigen, mit Felstrümmern und Gerölle angefüllten Taleinschnitt getrennt, welcher mit einem runden Kessel schließt — nicht aber, wie dies regelmäßig der Fall ist — an seinem oberen, sondern an seinem unteren Ende, indem hier der seitliche Höhenkamm im Halbkreise an das Südende des Stockes anschließt. Letzterer zeigt sich hier als eine großartige, gelb und schwarz gefleckte Felsmasse, welche — vom Rande des Hochplateaus senkrecht abfallend — an ihrem unteren Teile in weitem Bogen ausgehöhlt ist, während breite Schuttfelder von dem Fuße dieser Wände ins Kar sich herabziehen. Und die gleiche Formation ist jeder der Felsstufen eigen, welche wir — die Gras- und Geröllhänge voneinander trennend — an der Ostseite des Hohen Ifen sich hinziehen sehen; namentlich nahe an den Wänden des Südendes scheint sich bei der sorgfältigsten Betrachtung mit dem Fernrohre ein ganz bequemer Anstieg über Wiesenhänge zu ergeben — einer Felsstufe von kaum zehn Fuß Höhe wegen ist er unausführbar. Man kann längs dieser Bänder, deren Höhe kaum jemals über zwanzig Fuß beträgt, Hunderte von Schritten weit hingehen, ohne auch nur eine einzige erklimmbare Stelle anzutreffen.
 

Ich muß dies ausdrücklich vorausschicken, um von einem — auf eigene Beobachtung gestützten, von der gegebenen Anweisung abweichenden — Versuche der Ersteigung abzumahnen; ich versuchte ebenfalls Wegerichtungen, welche mir passender erschienen als diejenige, die mir angegeben worden war, ohne jedoch zum Ziele zu gelangen, und erst nachdem ich über eine der Graslahnen schließlich heruntergefallen war (zum Glück an einer Stelle, wo ich keinen Felsabsturz mehr unter mir hatte), gelang mir die Ersteigung genau an der Stelle, welche mir bezeichnet worden war. Diese ist nun folgende: Betrachtet man den Hohen Ifen, wie er sich von Oberstdorf und vom Walsertale aus als schräg aufsteigende gerade Linie darstellt, so wird man ziemlich genau in der Mitte dieser Linie eine sehr flache Einsenkung wahrnehmen; hält man sich in gerader Richtung auf diese zu, so wird man ganz von selbst den Platz antreffen, an welchem man zwischen den unübersteigbaren Felsstufen hindurch den Rand des oberen Gipfelplateaus erreichen kann.

Von dem zuletzt erwähnten Höhenrücken, welcher unmittelbar längs der Ostseite des großen Felsstockes sich hinzieht, betrachte man sich denselben wieder genau und man wird — da die Gestalt desselben, ohne in ihren Verhältnissen sich zu ändern, lediglich sich vergrößert hat — die bezeichnete und vom Walsertale aus wohlgemerkte Stelle leicht wiedererkennen. Ist man dessen nicht völlig sicher, so wird man besser daran tun, auf dem Kamme des Rückens weiterzugehen, bis man die vollständige Übersicht der Längsausdehnung der Ostseite des Hohen Ifen gewonnen hat, sodann in den Taleinschnitt herabzusteigen und nun in gerader Linie der mit Sicherheit wiedererkannten Aufgangsstelle sich zuzuwenden. Erkennt man dieselbe jedoch gleich von Anfang an (was einem geübten und aufmerksamen Beobachter nicht schwer wird), so läßt man sich von dem Höhenkamme um so viel heran, daß man an dem seitlichen Abhange die geradeste Linie nach demjenigen Punkte der Talsohle einschlägt, von welchem der Anstieg zu beginnen hat. Dieser führt erst über ein loses Trümmerfeld hinan, sodann gelangt man an eine kleine, auf schmalen Tritten ersteigbare Felsstufe, über steile Felsschrofen etwas rechts gewendet wieder an Grasplätze, deren stufenförmig übereinandergeschichtete Päcke das Aufwärtssteigen ohne allzu große Schwierigkeit gestatten, und hat nun zur Rechten eine senkrecht aufsteigende Felswand, an deren Fuße schwache Spuren eines Weges sichtbar werden; zur Linken eine schmale, steil abfallende Kluft, welche nun bald überschritten und auf deren entgegengesetzter Seite über Graspäcke und etwas Gerölle der Rand des Hochplateaus vollends erreicht wird. Die ganze Ersteigung des Felsstockes — welche von jedem einigermaßen geübten und durchaus schwindelfreien Bergsteiger ausgeführt werden kann — nimmt kaum mehr als eine Viertelstunde in Anspruch.

Das nun erreichte Hochplateau, welches stark gegen Süden, leichter gegen Westen hin geneigt ist, zeigt sich aus wellenförmigen Hebungen und Senkungen zusammengesetzt, großenteils mit Gras bewachsen, streckenweise jedoch auch mit Gerölle überschüttet, während die etwas erhabenen Vorsprünge des Ostrandes meist kahles, rissiges Felsgestein von bräunlichgrauer Farbe zeigen. Die allgemeine Neigung des Hochplateaus ist weit bedeutender, als man dem Ansehen nach erwartet haben mochte; dieselbe beträgt vom südlichsten bis zum nördlichen Ende, dem Gipfel, ungefähr 300 Fuß.

Der Hohe Ifen Im weiteren Aufwärtssteigen, wobei man sich nunmehr selbstverständlich fortwährend am Rande des Hochplateaus hält, trifft man bald auf eine tief eingeschnittene Kluft, welche erst gegen die Mitte des Hochplateaus hin sich völlig verliert., bedeutend früher jedoch schon überschritten werden kann. Außer diesem Einrisse habe ich auf dem Hohen Ifen keine sonstigen Spalten und Klüfte bemerkt und ist die aus solche Gründen behauptete Gefährlichkeit dieses Berges, von welcher man häufig erzählen hört, ins Reich der Fabeln zu verweisen. Ebenso verhält es sich mit der Gefahr des Verirrens auf demselben bei etwa anfallendem Nebel; für eine solche Eventualität genügt die einzige, leicht in Anwendung zu bringende Vorsichtsmaßregel, an dem Punkte, wo man den Rand des Hochplateaus erreichte, ein erkennbares Steinhäufchen aufzulegen, um im Rückwege die den Abstieg ermöglichende Stelle nicht zu verfehlen.

Von der Erreichung des Hochplateaus bis zur völligen Ersteigung des Gipfels sind noch etwa zwanzig Minuten zu rechnen. Auf letzterem befindet sich ein großer viereckiger Markstein der bayrischen Landesgrenze gegen Vorarlberg, welche lediglich mit einer scharfen Ausspitzung, deren Winkel auf dem Kopfe des Grenzsteins bezeichnet ist, den Gipfel des Hohen Ifen berührt. Furchtbar steil ist der nördliche Absturz des Berges auf das am Fuße desselben sich hinerstreckende steinerne Meer des Sonnenbergs; man kann an den Fuß dieser Wände kaum anders hinabblicken, als indem man sich platt auf den Boden legt und — nachdem die Erhaltung des Schwerpunktes auf diese Weise gesichert ist — den Kopf über den äußersten Rand hinausstreckt.

Die Aussicht vom Ifen wird als sehr ausgedehnt und lohnend gerühmt und die Stellung dieses Berges ist in der Tat eine derartige, dass man namentlich gegen Westen und Südwesten eine sehr weitgreifende Fernsicht erwarten kann. Ich vermag nun allerdings aus eigener Anschauung darüber nichts anzugeben, da ich bei meiner Ersteigung des Hohen Ifen weiter nichts als Wolken, Regen und Schnee zu sehen bekam; ein einziger lichter Moment vergönnte mir den Anblick der allernächsten Umgebung des weit ausgebreiteten Steinhügelplateaus unter dem Gipfel sowie des tiefen Taleinschnittes des Tiefen Ifertobels an der Westseite des Berges. Bei der nahen Stellung des Hohen Ifen am Diedamskopfe, welch letzteren er zudem bedeutend überragt, wird die Aussicht von beiden Punkten nicht wesentlich verschieden sein und das, was ich in der Folge über die Fernsicht vom Diedamskopfe aus mitteilen werde, großenteils auch auf den Hohen Ifen zu beziehen sein. Die Aussicht desselben gegen Osten wird sich auf unser Exkursionsgebiet, die Allgäuer Alpen, beschränken, welche noch von der Zugspitze und einigen der bedeutendsten Tiroler Berge überragt werden. Nur durch das Walsertal von unserem Gebirge getrennt, erhebt sich die fortlaufende Gebirgskette vom Schlappolt (Schlappoltkopf) zum Fellhorn, die Schafalpenköpfe, Elferhorn (Elfer) und Liechelkopf; im Süden sehen wir vor uns den mächtigen Felskegel des Widdersteins, während die dazwischenliegende Kette mit dem öfter genannten Ochsenhofer Kopfe längst vor uns in die Tiefe gesunken ist. Gegen Nord und Nordwesten blicken wir über die Bergzüge des Vorderen Bregenzer Waldes ins flache Land hinaus, westwärts über den Diedamskopf weg auf den Bodensee, in südwestlicher Richtung erheben sich die Gletscherberge der Schweiz.

Die Höhe des Ifen beträgt 6664 Fuß = 2.165m nach Sendtner, nach dem Kataster dagegen 6859 Fuß = 2.228 m *(nach den neuesten Messung 2.229m). Den Namen dieses Berges anlangend, habe ich noch zu bemerken, daß man auf Karten verschiedenartig die Benennung Hohe Ifer, Iffer oder Eifer findet; da jedoch auch diese Schreibweisen bloße Namen ohne jeden hineinlegbaren Sinn darstellen, so sehe ich keinen Grund, von dem buchstäblichen Laute der ortsüblichen Benennung abzuweichen [6].

Der Rückweg vom Gipfel des Ifen kann entweder wieder an der Ostseite herab, oder westwärts genommen werden, woselbst ihn ein im Bergsteigen und Aussuchen der Wege Geübter ohne sonderliche Schwierigkeit finden wird. Wahrscheinlich wäre auch die Fortsetzung des Weges an der Höhe des Gebirges hin, nach dem Diedamskopfe hinüber ohne bedeutende Hindernisse auszuführen und wären somit beide Berggipfel an einem und dem nämlichen Tage zu besteigen. Wir werden dagegen mit unserem nächsten Ausfluge das ganze Gebirge des Hohen Ifen und Diedamskopfes von der Nord- nach der West- und Südseite umgehen, und bei dieser Gelegenheit den zweiten Gipfelpunkt dieser Gruppe besteigen. Vorher muß ich jedoch noch für denjenigen, welcher zur Besteigung des Ifen den leichteren Weg von der Westseite her vorzieht, eine kurze Anweisung geben.
 

Derselbe lasse die ersten Alphütten, auf welche er im Tale von Ifertsgund trifft, rechts liegen und halte sich an den breiten Weg, welcher weiter talaufwärts fortwährend am Ufer des Baches hinführt; eine starke Viertelstunde weiter beginnt derselbe an dem bewaldeten Abhange zur Rechten sanft anzusteigen, und von ihm trennt sich später nach rechts ein Fußsteig, welcher ebenso wie der Fahrweg in den weitausgedehnten Talkessel der Hinteren Ifertsgund-Alpe führt, und zwar an den Steg, welcher eine Strecke weit in dieselbe hinein angelegt ist, da der sumpfige Wiesboden bei nasser Witterung wohl gänzlich überschwemmt ist. Beim Austritte aus dem Walde erblickt man vor sich einen weitgeöffneten, nahezu eine Viertelstunde langen, ebenen Wiesenplan [7], in welchem viele Heustädel [8] und (im Hintergrunde, am Fuße des weiter ansteigenden Berghanges, von welchem ein Wasserfall herabstürzt) mehrere Alphütten liegen. Nachdem man den ganzen Talkessel durchwandert hat, erblickt man die Westseite des Hohen Ifen in ihrer vollen Ausdehnung, und muß hier der Platz, an welchem der Anstieg nach der oberen Terrasse jedenfalls gänzlich unschwierig zu bewerkstelligen ist, einem jeden unmittelbar in die Augen fallen. — —
 
 
Unser zweiter Ausflug in die Gebirgsgruppe, welche wir bei der Besteigung des Hohen Ifen bereits teilweise kennen gelernt haben, führt uns in die westlichen Partien derselben und wird uns das Bild des ganzen Berggebietes zu einem klaren Ganzen vervollständigen.
Wir schlagen diesmal den Weg vom Illertale aus über Tiefenbach ins Tal der Starzlach ein. Auf dem gut angelegten Fahrwege, welcher anfangs noch über dem in einer tiefen Schlucht dahinrauschenden Bache an der rechten Talseite fortläuft, später durch die enge Felsenklamm selbst sich durchwindet, gelangt man in etwa 1 ½ Stunden nach Rohrmoos, woselbst das Tal sich wieder bedeutend erweitert. Bereits sind die Kackenköpfe zurückgeblieben, zur Linken erheben sich die uns bereits von früher her bekannten schwarzgrauen Felswände, rechts ziehen sich waldige Berghänge zur Dinigörgen-Alpe und an den Besler hinan. Dringen wir von Rohrmoos noch weiter taleinwärts vor, so führt uns der Weg durch ein ödes Hochmoor, auf welchem wir bald, jedoch kaum bemerkbar, die Wasserscheide [9] zwischen Donau und Rhein, zwischen der Starzlach und der Hirschgunder Ache in einer Höhe von nur 3477 Fuß = 1.129m nach Sendtner wieder überschreiten. Die Berge zur Rechten sinken zu flachen, langgezogenen Rücken ab, deren bewaldete Hänge auf weite Strecken hin das Tal einförmig begrenzen (Eibele-Wald). Wechselnder und anziehender gestaltet sich die Szenerie zur Linken, wo in steter Reihenfolge Kulisse auf Kulisse der Gottesackerwände hervortritt. Der Weg führt, etwa eine halbe Stunde von Rohrmoos entfernt, unter einer unmittelbar aus dem Talboden aufgebauten, senkrechten Wand vorbei und hält sich von da ab an der linken Talseite; zur Rechten blickt man in die Felsschlucht der Hirschgunder Ache hinab. Links entfaltet sich eine herrliche Felsengruppe der Gottesackerwände mit einem starken, über gelbe Platten herabschießenden Wasserfalle. Der Fahrweg senkt sich nun stark bis zu dem weit tiefer gelegenen Talboden, in welchem man wieder an bewohnten Häusern — (es befindet sich hier auch ein Wirtshaus) — vorbeikommt.

Man ist hier bereits völlig in den Bregenzer Wald eingetreten, was zunächst an den schlechten, in ununterbrochenen steilen Auf- und Absteigungen angelegten Wegen empfunden wird. Hoch in den Bergabhängen gewahrt man hier und dort einsam gelegene, jedoch ständig bewohnte Häuser. Die linke Talseite verliert ihr schroffes Ansehen, und zeigt sich bald durchweg mit dunklen Waldungen bekleidet, während an den Gehängen zur Rechten Wiesengründe vorherrschen. An letzterer Seite führt der Weg, der sich allmählich wieder ziemlich hoch über das Bett der Hirschgunder Ache erhebt, von einem Hügel über den anderen, passiert den tiefen Felstobel des Fugenbachs (welcher hier die österreichisch-bayerische Landesgrenze bezeichnet) und erreicht, ohne weiter noch bedeutende Abwechslung zu bieten, das kleine Dörfchen Sibratsgfäll, von welchem aus wir erst die eigentliche Wanderung in das Innere unserer Gruppe beginnen. Von Rohrmoos bis Sibratsgfäll sind etwa 2 ½ Stunden zu rechnen.
In Sibratsgfäll sehen wir über dem massigen Felsstocke der Gottesackerwände auch wieder die bekannte Spitze des Hohen Ifen auftauchen; wir haben diese ganze Gruppe bereits nach der Westseite umgangen. Rechts vom Hohen Ifen fällt eine dunkle, abgestumpfte Felspyramide in die Augen, welche sich frei über ihre nächste Umgebung erhebt; es ist der Diedmanskopf, welchen wir in kurzem näher kennen lernen. Von Sibratsgfäll gerade südwärts schneidet das Tal der Subersache tief in den Gebirgsstock ein, westlich begrenzt von dem grünen Bergrücken der Winterstaude. In dieses Tal hinein führt uns nun unser weiterer Weg.

Man verfolgt erst die Straße, welche von Sibratsgfäll direkt in den Tobel der Hirschgunder Ache hinabführt und letzteren mit einer gedeckten Brücke überschreitet; über einen flachen Wiesenhang führt sodann der Weg nach der Alpe Krähenberg, welche man bereits von Sibratsgfäll aus an der gegenüberliegenden Talseite gewahrte. Auf der Höhe derselben angelangt, überblickt man — von den beiderseitigen Berghängen eingeschlossen — eine ziemlich ausgedehnte ebene Mooswiese, deren Hintergrund von einem kleinen bewaldeten Hügel geschlossen wird. Dieser Hügel hat im weiteren Vorwärtsschreiten rechts zu bleiben, und man wird an demselben, nachdem man die Mooswiese in der kürzesten, geraden Linie durchgangen, alsbald wieder einen — allerdings sehr schlechten und sumpfigen — Weg auffinden, welcher eine kurze Strecke durch Gebüsch und über kleine Wiesplätze hinführt, sodann nach der rechten Seite stark abwärts zieht und die Subersach überschreitet, welche unmittelbar unter der Brücke sich in eine tief eingeschnittene Felsklamm hinabstürzt. Nach wenigen Minuten erreicht man nun im Talboden zwei nahe zusammenstehende Alphütten. Das Tal der Subersache ist hier durch einen Seitenzweig des Gebirgszuges zur Rechten in weitem Bogen ostwärts gedrängt; über diesen Seitenzweig führt der nächste Weg nach den im hintersten Talabschlusse gelegenen Schönenbach-Alpen, dem nächsten Ziele der Wanderung. Der Fußsteig findet sich leicht, indem man von den Alphütten weg den den Talkessel schließenden Bergrücken — dem Wiesenhange desselben folgend — in gerader Richtung ansteigt. In einer starken Viertelstunde ist die Höhe desselben erreicht, und man blickt nun direkt in das Tal des Schönenbachs hinab, an dessen weit geöffnetem, wiesenreichen Abschlusse ein förmliches Dorf von Alphütten gelegen ist.
Der Fußsteig schlängelt sich nun zum Talgrunde hinab, führt in der Nähe des Baches eine Strecke weit durch dichtes Gebüsch, und endlich auf die weiten, sumpfigen Wiesgründe der Alpe hinaus, deren zahlreiche Hütten allenthalben darauf zerstreut liegen. Das Alpendorf besitzt auch eine kleine Kapelle, und einer der Hütten hat sich sogar als Wirtschaft eingerichtet, woselbst man tiroler Wein erhält.

Die Länge des Weges von Sibratsgfäll nach den Schönenbach-Alpen beträgt 2 bis 2 ½ Stunden. Der Talkessel der Schönenbach-Alpen ist gegen Osten von den westlichen Ausläufern des Hohen Ifen, gegen Süden vom Körper des Diedamskopfes geschlossen, dessen eigentlicher Gipfel hinter seinen (zwar wenig umfangreichen, jedoch unmittelbar und steil aus dem Talboden aufsteigenden) Vorbergen sich versteckt. Nordwärts erhebt sich aus dem Tale der untere bewaldete Abhang der Winterstauden, gegen Westen blickt man durch eine Talsenkung zwischen diesem und dem weiter südlich folgenden Bergrücken, dem Hirschberger Joch, frei in die Ferne auf einige Bergzüge, welche wohl bereits den Bodensee umgrenzen mögen. Durch diesen Einschnitt führt der Weg nach Bezau hinaus.

Unsere Weitwanderung führt uns nunmehr über den Hauptgebirgszug hinüber an die der Bregenzer Ache unmittelbar zugehörende Südseite desselben, längs dieser alsdann über den südlich auslaufenden Gebirgskamm des Hochgerachjoches aus dem Gebiete der Bregenzer Ache wieder in das der Iller, nämlich das Walsertal.

Entfernt man sich von den Schönenbach-Alpen in westlicher Richtung – also der bereits erwähnten auffallenden Öffnung des Talkessels zu – so wird man nach einigen hundert Schritten an dem Wiesenhange zur Linken einen ziemlich ausgetretenen, von links gegen rechts aufwärtsführenden Fußpfad wahrnehmen, welcher bald in den Wald eintritt und hier sodann mit einem breiteren, von der entgegengesetzten Seite her ansteigenden Wege zusammenstößt, auf welchem man in etwa einer Viertelstunde die erste Höhenstufe erreicht. Es ist dies ein mäßig breites, sanft gegen Süden ansteigendes Tal, westwärts begrenzt von steil aufwärtsstrebenden Wiesenhängen und unterbrochenen Felsmassen, östlich von dem wieder völlig sichtbar gewordenen und auf den ersten Anblick zu erkennenden Diedamskopfe. Am Fuße des westlichen Bergrückens hin rauscht der Gebirgsbach hinunter, am Abhange zur Linken bemerkt man in einiger Entfernung voneinander zwei Alphütten. Man kann nun nach einer derselben ansteigen und am Bergabhange hin – meist auf sehr sumpfigem Boden, seltener durch Gesträuche und kleine Gehölze, seinen Weg weiter verfolgen, der indes nur selten durch einen wirklichen Pfad bezeichnet ist. Besser wird man daran tun, sich in der Talsohle zu halten, woselbst der Weg bald auf das entgegengesetzte (linke) Ufer des Baches übergeht. Man erreicht auf diese Weise nach ungefähr einer Stunde die Passhöhe, auf welcher abermals eine Passhöhe sich befindet; von hier ab hat man sich wieder an die linke Talseite, welche vom Diedamskopfe gebildet wird, anzuschließen.

Auf der sehr flachen Höhe des Gebirgskammes entfaltet sich eine nicht besonders ausgedehnte, dem Besucher der Allgäuer Gebirge jedoch völlig neue Aussicht, nämlich ins Tal der Bregenzer Ache und auf die dasselbe begleitenden Gebirgszüge. Zunächst zu unseren Füßen liegt Au und Schoppernau; talauswärts wendet sich der Fluß in weitem Bogen gegen Westen nach Schnepfau, um sodann in nördlicher Richtung nach Bizau und Bezau zurückzukehren. Seinem Ursprunge, dem Tammberge zu, verengt sich das Tal zu einer finsteren Felsschlucht, dem Schröcken mit der Ortschaft gleichen Namens. Dem Tale der Ache senkt sich von unserem Standpunkte aus ein – dem bisher durchwanderten ähnlicher, doch bedeutend stärker abfallender – Taleinschnitt. In diesem nehmen wir unseren Weg hinab, obwohl zunächst die Ersteigung des nahen Diedamskopfes beabsichtigt ist.

Dieser letztere begleitet nämlich mit seiner Westseite noch fortwährend unser Tal und zeigt sich dadurch als ein äußerst langgestreckter Rücken, an der Stelle der steilen, kurz abgeschnittenen Pyramide, als welche wir ihn anfänglich betrachteten. Warum wir von dem höchsten Punkte des Tales nicht sofort die Ersteigung dieses Rückens beginnen, hievon liegt der Grund in der Beschaffenheit seiner Hänge, welche, äußerst steil aufsteigend, dabei eine ununterbrochene Reihenfolge tief eingeschnittener Gräben und Felsschluchten weisen.

Bei aufmerksamer Betrachtung wird man sehr bald den Steig wahrnehmen, welcher – erst ziemlich tief unten im Tale seinen Anfange nehmend – nach einer auf der Höhe des Bergrückens gelegenen, ebenfalls bereits sichtbaren Alphütte hinaufführt. Man hat nun, wie bereits gesagt, eine bedeutende Strecke – nahezu eine halbe Stunde weit – gegen das Bregenzer Achental abzusteigen und sodann den links aufwärts führenden Seitenpfad (dessen Anfangsspuren an dem nächsten steilen Grashange sehr leicht zu erkennen sind) zu verfolgen. Derselbe zieht sich sehr bald quer durch eine tief eingeschnittene Schlucht mit schwarzen, lehmigen, sehr stark geneigten Hängen, dann an der entgegengesetzten Seite derselben hinauf zur Alphütte, welche bereits früher wahrgenommen wurde. Die Höhe des Bergrückens ist damit noch keineswegs erreicht, vielmehr befindet man sich hier lediglich auf einer Abstufung seiner Westseite, während über der Alpwiese die Hänge abermals, wenn auch minder steil als bisher, emporsteigen.

Am sichersten und bequemsten wird man nunmehr gehen, wenn man in gerader östlicher Richtung den folgenden, etwas bewaldeten Berghang ansteigt und diese Richtung so lange unverändert beibehält, bis man das große obere Hochplateau des Diedamskopfes erreicht hat, dann auf diesem den höchsten nördlichen Rand und den Gipfel ersteigt. Interessanter und wohl auch kürzer, jedoch weit beschwerlicher ist der Weg, welchen ich von der vorbezeichneten Alpe aus zu diesem Zwecke verfolgte. Von derselben aus kann man nämlich auch in gerader nördlicher Richtung den Höhenkamm des Gebirges an einer sogleich in die Augen fallenden Einsattelung in der Nähe des Gipfels erreichen.

Man verfolgt alsdann einen schmalen Steig, welcher an der Seite des Gebirges (zunächst ohne an derselben höher hinanzusteigen) quer hineinläuft; derselbe passiert den vorher überschrittenen Graben wieder zurück, sodann noch einen zweiten tiefen Einschnitt, an dessen scharf abgedachten Lehmgeschieben [10] besonders enge Stellen vorkommen, und führt wieder zu einer kleinen Alpwiese. Noch weiter in dieser Richtung zeigt die Bergseite eine tiefe Aushöhlung, an deren außerordentlich steil abfallenden, schwach mit Gras bewachsenen Lehmlahnen [11] vielleicht sogar der mit Eisen bewaffnete Fuß nur schwer einen Halt finden möchte. Man steigt von hier aus den Grashang nach der Höhe hinauf in gerader Richtung an, trifft aber auch in dieser bald auf unangenehm stark geneigte Böschungen, welche den Gebrauch von Steigeisen wohl wünschenswert erscheinen ließen, doch sind solche hier nicht unbedingt notwendig. Hält man sich an dem Kamme, welcher vom Hauptgrate seitlich herunterläuft, und von welchem sich beiderseits die Grashänge abdachen, so wird man meistens einen sicheren Halt finden. Nach langem, ziemlich mühsamen Klettern erreicht man nun die Höhe des Gebirgsrandes an der vorher erwähnten Einsattelung, welche durch einen 6 bis 7 Fuß hohen Steinmann bezeichnet ist. Hier überblickt man das ganze Hochplateau, eine weite, sumpfige, schwach gegen Süden geneigte Wiese mit wellenförmigen Unebenheiten, zwischen welchen einige kleine Wassertümpel sich angesammelt haben.

Die uns umgebenden Gebirge haben sich hier bedeutend gehoben, namentlich macht sich im Süden ein Felskoloß von abgestumpfter Kegelgestalt bemerkbar, welchen der Unkundige wohl für den Widderstein zu nehmen geneigt ist; es ist jedoch der Zitterklapfen [12], besonders ausgezeichnet durch die zackigen Auswüchse seiner Nordseite. Östlich davon bemerkt man den Künzelspitz (Hochkünzelspitz), wogegen der Widderstein erst bei Erreichung des Höhenrandes in großartig plumper Gestalt sich vor Augen stellt. In Südwesten ragen aus den verschiedenartigen, wenig ausgezeichneten Bergrücken die Canisfluh (Kanisfluh) und Mittagsspitze hervor. Nordwärts bildet unsere nächste Nachbarschaft der grüne Bergzug der Winterstauden.

Die letzte Strecke bis zum Gipfel wird auf dem Grate zurückgelegt, welcher anfangs flach fortzieht, noch einmal eine ziemlich steile Stufe bildet, welche ohne besondere Schwierigkeit erklettert wird, worauf man den letzten Hügel, den Gipfel des ganzen Berges, ansteigt. Es ist, wie früher schon erwähnt, der westliche Eckpunkt des gerade abgeschnittenen Nordrandes. Die Ersteigung des Diedamskopfes mag von der höchsten Alpe an 1 ½ Stunden, von Schönenbach her 3 bis 3 ½ Stunden währen.
 
 
Von diesem an die äußerste westliche Grenze unseres Berggebietes vorgeschobenen Gipfelpunkte eröffnet sich die Aussicht größtenteils auf solche Bergpartien, welche dem Besucher der Allgäuer Alpen bisher völlig oder doch nahezu unbekannt geblieben sind. Namentlich gehört hierher der Hintere Bregenzer Wald und das Montafoner Gebirge. Unsere nächsten Felsnachbarn im Süden habe ich bereits als Künzlespitz und Zitterklapfen bezeichnet; darüber erheben sich die Riesen des Tammberges, Braunarlspitze und Rote Wand. Im Hintergrunde erscheinen die Gletscher des Prättigau und Unterengadin darunter der Albuinkogel. In überraschende Nähe ist uns das oft bewunderte Schneeplateau der Scesaplana gerückt; die in weiter Ferne darüber sich erhebenden Eisgebirge dürften wohl den Gebirgsstock des Berner Oberlandes darstellen. Westlich liegt der blaue Bodensee in seiner ganzen Ausdehnung von Lindau bis Konstanz wie unmittelbar am Fuße des Berges. Die durch den Hohen Ifen teilweise beschränkte Aussicht gegen Osten erstreckt sich über das ganze Allgäuer Gebirge; an den zarten Umrissen der äußersten Vorposten desselben in entgegengesetzter Richtung – nordöstlich das Tannheimer Gebirge, südöstlich die Spitzen der Hornbacher Kette – läßt sich die ungeheure Ausdehnung dieses Bergrevieres einigermaßen ermessen. Die Besteigung des Diedamskopfes ist somit eine äußerst lohnende und würde bei Einschlagen des besten Weges (nämlich direkt aus dem Bregenzer Achentale herauf nach den Alpen des Hochplateaus) wohl auch den Anforderungen des bequemsten Turisten genügen. –
 
 
Wir setzen nunmehr unsere Wanderung nach dem Walsertale zurück, an der Südseite des Gebirges fort. Unser nächster Passübergang, scheinbar unmittelbar mit dem Hohen Ifen zusammenhängend, steht so deutlich vor Augen, dass darüber auch nicht der mindeste Zweifel aufkommen kann. Zunächst mag man sich noch auf der Höhe des Gebirgskammes, längs des Nordrandes, halten und an die schroffen, dunkeln Felswände, in die brunnenartigen Zerklüftungen derselben hinabblicken. Auf dem moosigen, mit vielem Alpenrosengesträuche bewachsenen Boden geht es sodann leicht bergab, wobei man sich jedoch nicht zu weit von den Abstürzen der Nordseite entfernen mag. Fortwährend längs des Randes sich zu halten, wird wegen der weit hinausragenden Vorsprünge des Hochplateaus, sowie der tief hereingreifenden Einrisse sehr bald unmöglich werden. Man passiert nun nacheinander mehrere kleine, meist von niedrigen, aber steil aufgebauten Gebirgskämmen umschlossenen Talmulden, wobei man durchweg den sumpfigen Moosboden antrifft, welcher diesem ganzen Gebirge eigen ist. Bald bemerkt man nun auch, dass der Höhenkamm des Gebirges nicht so unmittelbar an den Hohen Ifen anschließt, als dies anfänglich scheinen mochte, dass vielmehr zwischen beiden noch eine ziemlich bedeutende Vertiefung sich befindet. Von hier ab, d.h. sobald man annehmen kann, dass das Terrain sich ununterbrochen bis zur Sohle dieses Einschnittes absenken werde, verlässt man den nördlichen Gebirgsrand völlig, hält sich fortwährend rechts und steigt nun in eine stark bewässerte Talwiese herab. Noch einmal geht es von deren Ende einige hundert Fuß bergab, und die Subers-Alpe, steht; geöffnet ist derselbe nur gegen Norden, wo vom Rande desselben steile Wände in den Tiefen Ifertobel abfallen; an diesen führt indes ein Steig in das Tal der Subersache hinab. Würde man, von Sibratsgfäll her, das Tal des Schönenbachs rechts lassend, in ersterem die gerade Richtung auf den Abschluß des Gebirges hin verfolgen, so hätte man den Steig an der linken, der Seite des Hohen Ifen, zu suchen; am nördlichen Abhange des Diedamskopfes hinaufzuklettern, halte ich nicht für möglich. -

Vom Boden des jetzt erwähnten Talkessels führt nun ein ziemlich ausgetretener Weg nach der östlich gelegenen Passhöhe, dem Hochgerach. Nahe an dem Scheitel derselben gewahrt man einen Gegenstand, welchen man von weitem wohl für ein Kreuz hält, wogegen man bei größerer Annäherung einen Wegweiser findet, welcher vier Richtungen angibt: „Nach Schoppernau“, die in welcher wir herkommen, nämlich über das Hochplateau des Diedamskopfes; „nach Bezau“, d.h. in den Tiefen Ifertobel und zu den Schönenbach-Alpen; „nach Ifertsgund“, unsere folgende Wegerichtung, ins Tal zwischen dem Ifen und dem Ochsenhofer Kopf hinüber; endlich viertens „nach Walsertal“, womit wohl der Übergang über das Starzeljoch ins Tal von Baad und nach Mittelberg gemeint ist; zu letzterem müsste man daher zunächst den Gebirgskamm zur Rechten in südöstlicher Richtung überschreiten. Bei der Verworrenheit dieser Gebirgsgegend, welche bei anderem als hellem Wetter ein Zurechtfinden fast zur Unmöglichkeit macht, ist ein derartiger Wegweiser ebenso nützlich, als die menschenfreundlich Absicht seines Errichters (die ihresgleichen leider so selten findet) ehrende Anerkennung verdient. (Anmerkung: folgt)

Ist der Scheitel des Querriegels, welcher die Täler gegen Osten und Westen scheidet, erreicht, so erblickt man vor sich eine flache Talsenkung, deren Laufe man nun abwärts folgt; bald stürzt sich der kleine Gießbach, welcher bereits wieder der Iller zufließt, in eine tiefe Schlucht, welche fortan rechts zu bleiben hat. Der leicht verfolgbare, jedoch sehr unwegsame Pfad führt nahe an einer Alphütte vorbei, dann etwas im Walde abwärts, über eine ziemlich ausgedehnte Mooswiese, und endlich über eine kleine, steile Abstufung auf die weite, ebene Talwiese der Ifertsgund-Alpen, von welcher ich bereits bei Behandlung des Hohen Ifen gesprochen habe; letzterer entfaltet hier den vollen Anblick seiner bekanntlich am leichtesten besteigbaren Westseite. Vom Diedamskopfe werden nach Ifertsgund gegen 3 Stunden zu nehmen sein, nämlich 2 Stunden bis zur Höhe des Jochs, von da eine kleine Stunde bis ins Tal hinunter.

Über die lange Wiese führt nun ein schnurgerader Weg zwischen Heuhütten hindurch nach dem entgegengesetzten Ende, tritt sodann in den Wald ein, und tritt, stellenweise noch stark abwärts ziehend, meist am Ufer des Baches hin, in weiteren ¾ Stunden zu den Vorderen Ifertsgund-Alpen, von diesen ins Walsertal hinaus. Hat man die wiesenreichen Höhen über dem letzteren erreicht, so mag man sich entscheiden, ob man nun wieder menschliche Wohnung und Gesellschaft aufsuchen oder abermals in die wilde Felsnatur sich vertiefen will; ersteren Falles leitet den Wanderer der Weg nach Riezlern, über das Walser Schänzle und nach Oberstdorf; wer das letztere beabsichtigt, wendet sich nach Hirschegg und Mittelberg, dem Abschlusse des Walsertales zu.
 
Bemerkungen:
Online-Veröffentlichung der Erzählung „Der Hohe Ifen und der Diedamskopf“ nach dem Werk "Gesammelte Schriften" von Bünsch/Rohrer (1926) im Rahmen einer gemeinfreien Nutzung nach dem Urheberrecht.
Rechtschreibung, Zeichensetzung und Satzbau sind im originalen Zustand belassen worden. Als zusätzliches gestalterisches Mittel wurden aktuelle und teilweise auch historische Schwarz-Weiß-Aufnahmen in die ursprünglich unbebilderte Erzählung eingebaut. Die Aufnahmen sind zur Auflockerung des Textes gedacht und versuchen einen regionalen Bezug zur Erzählung herzustellen. Mit Ausnahme der Zeichnungen von Anton Waltenberger handelt es sich hierbei um keine überlieferten echten Bild- u. Zeitdokumente aus jener Zeit.
Zur besseren Einordnung abweichender geographischer Bezeichnungen und zum besseren Verständnis einiger von Barth benutzter und im heutigen Sprachgebrauch weithin unbekannter Ausdrücke wurden aktuelle "Bergnamen" ergänzt und gesonderte Fußnoten angebracht (Fußnoten werden auch beim Überfahren mit der Maus angezeigt) bzw. am Ende der Erzählung in einem Glossar zusammengefasst.

Zusätzlicher Hinweis: Die Aufarbeitung bzw. Bereitstellung dieses Dokumentes ist im Sinne der Verfügbarmachung eines alpinhistorischen literarischen Werkes zu verstehen. Die Tourenbeschreibung ersetzt keinesfalls aktuelle Bergführerliteratur.
 
Glossar:
[1] Hoher Ifen: Der Hohe Ifen ist ein 2.230 Meter hoher Berg in den Allgäuer Alpen, westlich des Kleinwalsertals. Im Winter bildet er die Kulisse für ein kleines Skigebiet. Er liegt an der Grenze zwischen Deutschland und Österreich. Der Gipfel stellt den höchsten Punkt des leicht geneigten Ifenplateaus dar. Nordöstlich des Ifenplateaus befindet sich das Gottesackerplateau, eine unter Naturschutz stehende Karstlandschaft mit zahlreichen Höhlen und seltenen Gebirgspflanzen. Am östlichen Abhang des Bergstocks wurde auf der Schneiderkürenalpe in etwa 1.500 m Höhe eine steinzeitliche Wohnstätte freigelegt (Quelle: wikipedia.de) -->zurück
[2] Sonnenberg: Der Gottesacker wird in die "Unteren" und "Oberen" Gottesackerwände unterteilt. Das Massiv der oberen Gottesacker heißt man von Riezlern gesehen auch den Sonnenberg. Wichtig ist es in diesem Gebiet nur bei guter Sicht zu laufen, da man sich ansonsten hoffnungslos verirrt. Außerdem daran denken ganz viel zum Trinken mitnehmen. In dem Karstgebiet gibt es keine Möglichkeit seine Trinkflasche nachzufüllen (Quelle: Berg.heim.at) -->zurück
[3] *): Bei Barth: Diedamsberg. Ferner (außer schon Genanntem):Gühren-Alp für Küren-Alpe, Rüßler-Wald für Eibele-Wald, Krebenberg für Krähenberg-Alpe, Schönebach- für Schönenbach-Alpen, Diedamsjoch für Hochgerach -->zurück
[4] Schläge abholzen: ABHOLZEN, das holz in einem walde ganz ausschlagen oder abtreiben. den wald, den forst abholzen. der wald ist in schläge getheilt, von welchen jährlich einer abgeholzt wird (Quelle: Deutsches Wörterbuch der Gebr. Grimm) -->zurück
[5] Krummholz: Bezeichnung für in höheren Bergregionen wachsende Holzgewächse, deren Stämme oder Äste vielfältig gekrümmt sind (Meyers Lexikon online) bzw. eine Art Kiefer (Pinus montana Linn.), deren besonderer Wuchs darin besteht, dass der Stamm und die Zweige eigentlich nicht gerade in die Höhe gehen, sondern auf der Erde gedrückt und unordentlich, oft kreuzweise durcheinander laufen. Die Zweige kriechen wohl 20 bis 30 Fuß vertikal, alsdann aber richten sie sich pyramidenförmig auf, selten jedoch über 10 bis 15 Ellen. Ein mit ihnen besetzter Platz ist deswegen für Menschen beinahe undurchdringlich (Oekonomische Encyklopädie von J.G. Krünitz http://www.kruenitz1.uni-trier.de) -->zurück
[6] Hoher Ifen: Hochifen, auch Hoher Ifen (2.230m) 1471: in Hohen Nifer bzw. 1485 Hochennyffer: Das in dem Namen enthaltene schwedische Mundart-Wort "nipa" bedeutet "steiler Abbruch". Diese Bedeutung trifft auf den Ifen ringsherum zu. Die Bezeichnung "Hoher" ist als Bezug auf die höchste Stelle des Gipfelplateaus zu verstehen. (Quelle: Allgäuer Bergnamen von Thaddäus Steiner) -->zurück
[7] Wiesenplan: ebene, weiträumige (Wiesen-)fläche: vor dem Dorf erstreckt sich ein weiter, grüner Wiesenplan.; er trat auf einen sanft ansteigenden Plan, (Quelle: http://www.dwds.de) -->zurück
[8] Heustadel: alleinstehende Hütte zur vorübergehenden Aufbewahrung von Heu -->zurück
[9]Wasserscheide: Grenzlinie, die zwei benachbarte Flußgebiete voneinander scheidet: hier ein Gebirge als Wasserscheide (Quelle: http://www.dwds.de) -->zurück
[10] Lehmgeschiebe: Geschiebe (das), oder Geschübe, im Bergbaue, eine jede Erd= oder Steinart, welche durch eine äußere Gewalt, z. B. durch Ueberschwemmungen, aus ihren Wohnstätten gerissen, und an andere Orte, besonders auf und unter der Dammerde, geschoben oder zusammen geführet worden. (Quelle: Oekonomische Encyklopädie von J. G. Krünitz) -->zurück
[11] Lahn: Lahn: Lahn (österr. bayr. mundartl.) die; ­, -en [mhd. lene = Lawine; Gießbach] (bayr., österr. mundartl.) Lawine (oewb.retti.info) -->zurück
[12] Zitterklapfen: Der Zitterklapfen (2.403 m) ist ein markanter, 2 km langer Gipfelgrat in der Nordhälfte des Lechquellengebirges. Der Name stammt angeblich vom Schwanken der dürren Wetterbäume, Klapfen heißt Felskopf -->zurück