Vorwort:
Die Hoffnung stirbt zuletzt. Momentan sind alle Touren dieses Buches für deutsche Staatsangehörige faktisch unerreichbar. Erst, wenn sich die Corona-Lage wieder gebessert hat, brauchen auch wir uns nicht mehr aufs Träumen beschränken. Denn traumhaft dürften sie bei guten Verhältnissen alle sein, die hier beschriebenen 35 „leichten bis mittelschweren Skihochtouren für endlosen Abfahrtsgenuss“.
Zum Inhalt:
Diese Beschreibung auf dem Buchrücken trifft die Tourenauswahl schon etwas genauer, als der sehr verlockende Titel. Jeder Bergsteiger weiß, wie stark die Einschätzung einzelner voneinander abweicht, was als leicht oder schwer empfunden wird. So fallen sicherlich der Gleirscher Fernerkogel (Tour Nr. 8 ) und der Östliche Feuerstein (Tour Nr. 12) angesichts ihrer Steilpassagen etwas aus diesem Rahmen. Auch über die Bezeichnung als (Ski-) Hochtouren mag man streiten, denn der Autor geht hier bis auf 2600m herab (Torspitze, Gampesspitze, Schöberspitze, Touren Nrn. 21 bis 23). Das entspricht nicht unbedingt der üblichen Vorstellung von einer Hochtour. Als „Gipfelsammler“ muss ich zudem kritisieren, dass sich auch mit der unteren Kräulscharte (Tour Nr. 10) und der Kühlehnkarscharte (Tour Nr. 1) zwei Ziele in der Sammlung finden, die ich schon deswegen nicht so reizvoll finde, weil sie nicht auf einem Gipfel enden. Anderen werden die Touren gefallen.
Der Band selbst ist sehr schön aufgemacht und reich bebildert. Bei den Bildern ist leider nicht immer ersichtlich, welche Gipfel darauf zu sehen sind. Auch wäre das eine oder andere Schlechtwetterbild durchaus angemessen gewesen, denn letztlich herrscht im Hochgebirge nicht immer nur eitel Sonnenschein. Sehr gut gelungen sind die Kurzzusammenfassungen der Touren mit Geokoordinaten und Anreisemöglichkeiten mit dem ÖPNV. Was mir hier fehlt, sind zusätzliche Zeit- und Höhenangaben vom Talort aus, wenn die Beschreibungen bei einer Hütte losgehen. Auch eine ausdrückliche Angabe der Steilheit wäre gerade für Anfänger von Nutzen. Zwar finden sich zu jeder Tour „Karten mit eingezeichneten Hangneigungen für die Tourenplanung“. Diese sind aber für eine konkrete Tourenplanung, bei der man angesichts der Steilheit die Lawinenlage einschätzen möchte, viel zu klein. Sie bieten allerdings einen brauchbaren Überblick über das zu erwartende Gelände.
In seiner Einleitung geht der Autor auf die Anforderungen und die Ausrüstung sowie die Lawinengefahr ein. Er hält sämtliche Touren „bei üblichen Verhältnissen“ (was ist denn üblich?) für ohne Seil, Pickel und Steigeisen machbar. Er schreibt, „dass man keine Kenntnisse in Spaltenbergung“ haben müsse. Das mag für die unvergletscherten Touren des Buches und für die übrigen bei optimalen Verhältnissen zutreffen. Sonst halte ich solche Empfehlungen eher für bedenklich. Ich selbst war schon bei einigermaßen einfachen Touren wie der Kuhscheibe (Tour Nummer 4) und dem Längentaler Weißer Kogel (Tour Nummer 6) sehr froh, dass ich Steigeisen dabei hatte. Und wer den Romariswandkopf (Tour Nummer 31) einmal im Sommer bestiegen hat, der wird auch im Winter im Hinterkopf behalten, dass es dort durchaus Spalten gibt. Die Mitnahme einer Lawinennotfallausrüstung wird zu Recht als unabdingbar beschrieben. Die „gehört in jeden Rucksack“. Lassen wir‘s mal als Lapsus durchgehen, denn jedenfalls das LVS-Gerät nützt im Rucksack im Zweifel gar nichts, sondern gehört eingeschaltet körpernah an den Mann oder die Frau.
Fazit:
Trotz der angesprochenen, kleineren Schwächen, die sich bei einer Neuauflage sicherlich leicht verbessern lassen, hat der Autor eine schöne Tourenauswahl zusammengestellt. Sie bietet erfreulicherweise auch häufig die Möglichkeit, mehrere dieser Touren von derselben Hütte aus zu machen. Skitourengeher mit einer gewissen Grundkondition und der Fähigkeit, die Verhältnisse am Gletscher, das Wetter sowie die Lawinenlage richtig einzuschätzen, werden beim Nachgehen dieser Touren sicherlich viel Freude haben.
Für weitere Informationen: Bruckmann Verlag
Buchbesprechung vom 03.02.21 © Gipfelsammler Claus im Forum von Alpic.net
Zum Autor:
Bernd Zangerl wurde 1978 in Flirsch im Arlberg (Tirol) geboren. Von Geburt an von Bergen umgeben, dauerte es nicht lange, bis er von dieser großartigen und scheinbar endlosen Welt aus Gletschern, Schluchten und Gipfeln angezogen wurde. Nach großen Erfolgen im alpinen Klettern, wandte sich Bernd Zangerl schließlich dem Bouldern zu und fand hier seine wahre Leidenschaft.
Zum Inhalt:
John Gill, der Vater des heutigen Boulderns, reflektiert im Vorwort kurz die Entstehung des Boulderns und skizziert dabei wichtige historische Boulder, z.B. Fontainebleaus in den französischen Alpen. Er spannt einen Bogen von seiner eigenen Entwicklung und dem Ende seiner ernsthaften Boulderphase in 1987 bis zur heutigen Popularität, mit der erstmaligen Aufnahme des Bouldern in das Programm der Olympischen Spiele in 2020. Abschließend stellt er Bernd Zangerl als herausragendsten Vertreter dieses Sports gemeinsam mit seinem ersten Boulder-Buch in den Vordergrund.
Bernd Zangerl beschreibt seine Inspiration im gleichnamigen Kapitel und schildert seine Faszination bereits im Jugendalter zu den Büchern von Reinhard Karl. Schnell war klar, dass er die Welt entdecken wollte. Als Schüler nutzte er die Wochenenden um dem Alltag zu entfliehen und lernte durch seinen Freund und Bergführer Peter Grissemann das Klettern. Marmolada-Südwand, Grand Capucin und der heimatliche Wilde Kaiser sind dabei nur einige Stationen wilder Abenteuer.
Seinen ersten "unfreiwilligen" Boulder kletterte Bernd Zangerl 1995, wobei das Wort "Bouldern" noch nicht den heutigen Stellenwert bzw. Bekanntheitsgrad hatte. Das Ereignis fand im Klettergarten Schnann mit der Bewältigung der fünf Meter hohen und stark überhängenden Route "Flatline" statt. Von da an vollzog sich der eigentlich Wandel, weg vom reinen alpinen Klettern hin zum Bouldern, was Ihn jedoch nicht daran hinderte weiterhin in der ganzen Welt unterwegs zu sein.
Mit bewegenden Worten schildert Bernd Zangerl im Kapitel "Projekte und die Kunst des Scheiterns" sein persönlichstes Projekt: Die Rückkehr ins Leben nach einem schweren Sturz. Entgegen der Meinigung der Schulmedizin einer irreparablen Verletzung kämpfte sich Bernd Zangerl - auch und gerade mit Hilfe des Bouldern - zurück in den Alltag.
Bernd Zangerl beschreibt in seinem Buch die Faszination, die das Bouldern auf Ihn ausübt. Im Einklang mit der Natur das Problem oder die Herausforderungen eines Boulder zu lesen, dem sogenannten "Decoding", um manchmal bis zur Erschöpfung in unzähligen Anläufen und gescheiterten Versuchen die Lösung zu finden.
Zitat:" Wenn alles im Fluss ist, Körper und Geist in absoluter Balance, wenn das Denken wegfällt, dann wird Bouldern zum Tanzen. Der Kletterer verschmilzt mit der Materie Fels, alles wird ganz leicht und einfach. Ob der Geist zum Körper wird oder der Körper zum Geist, bleibt schlussendlich auch nur eine Anschauungssache, die jeder für sich selbst finden muss." Zitat Ende.
Bernd Zangerl greift neben aller Schwärmerei aber auch das Thema Nachhaltigkeit auf und macht auf die Schattenseiten des anhaltenden Kletter- Boulderbooms aufmerksam. Weltweit erhöht sich die Anzahl der Frequenz an Outdoor-Sportlern die sich die schrumpfende Fläche in der Natur teilen wollen, was den Druck auf die Umwelt enorm erhöht. Kritisch und ohne rosa Brille beschreibt Bernd Zangerl diese Entwicklung. Hierzu versucht er dem Leser seine Vorstellung und seine Prinzipien von Nachhaltigkeit nahe zu bringen. In einem spannenden beispielhaften Projekt berät Bernd Zangerl die Bewohner im indischen Rakchham, den Bouldertourismus von Anfang an in geregelte Bahnen zu lenken.
In einem weiteren Kapitel porträtiert Bernd Zangerl wichtige Begleiter und Stars der Szene. Angefangen mit John Gill, dem Vater des Bouldern aus den USA. Weiter über Wolfgang "Flipper" Fietz, dem maßgeblichen Boulderpionier aus Deutschland. Erwähnung finden Jacky Godoffe, einer der weltbesten Freikletterer seiner Zeit und die beiden Briten Ben Moon und Jerry Moffatt, mit denen er eine langjährige Freundschaft pflegt. Der Schweizer Fred Nicole, der das Bouldern maßgeblich mit geprägt hat, der unscheinbare aber nicht weniger erfolgreiche Klem Loskot aus Salzburg, die Amerikanerin Lisa Rands als eine der stärksten Boulderinnen der Jahrtausendwende, Dai Koyamada vom japanischen Bouldern, Dave Graham mit unerschöpflichem Enthusiasmus. Die Liste der Portäts vervollständigen Kilian Fischhuber, Nalle Hukkataival, Jimmy Webb, Anna Stöhr, Shauna Coxsey und Ned Feehally, Adam Ondra, Charles Albert, Giuliano Cameroni, Shawn und Brooke Raboutou und zum Abschluss Ashima Shiraishi, bekannt als amerikanisches Wunderkind im Bouldern.
Fazit:
Bernd Zangerl verarbeitet in seinem Werk sehr persönliche Erlebnisse und skizziert dabei seinen eigenen Weg vom alpinen Klettern hin zum Bouldern. Dabei finden viele Wegbegleiter und Stars der Szene ihren entsprechenden Platz in seinen Erzählungen. Man liest viel über den Umgang mit Herausforderungen, von Motivation, Verletzungen und Scheitern. Das alles ist nicht nur anwendbar auf viele Sportarten und das Bouldern, sondern eben auch auf das Leben im Allgemeinen. Gleich mehrere Kapitel sind dem Einstieg ins Bouldern beginnend im Kindesalter bis hin zum Erwachsenen, dem richtigen Trainieren bis zur möglichen Teilnahme an Wettkämpfen gewidmet. Ein weiterer Schwerpunkt ist ein Überblick über die aktuell wichtigsten und bekanntesten Bouldergebieten der Welt.
Mit zahlreichen traumhaften Bildern in Hochglanzoptik ist dieses Buch ein Erlebnis für Boulderer, Neueinsteiger und Freunde des Alpinismus gleichermaßen. Empfehlenswerte Lektüre.
Bezugsquellen:
ISBN: 9783711200082, 232 Seiten
2019 Bergwelten, € 24,00
Buchbesprechung vom 09.09.2019 © Wanderpfa.de